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Wo bleibt die Privatsphäre?
EC SPRIDE-Direktor Prof. Michael Waidner nimmt an Podiumsdiskussion über die digitalisierte Welt und deren Herausforderungen für den Staat teil
Wie problematisch ist die Digitalisierung der Gesellschaft? Sind wir beim Totalverlust der Privatsphäre angekommen? Um diese Fragen drehte sich ein Vortragsabend im Hessischen Staatsarchiv in Darmstadt, zu dem die Friedrich-Naumann- und die Karl-Hermann-Flach-Stiftungen eingeladen hatten.

Im Hessischen Staatsarchiv waren die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Professor Michael Waidner, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Sichere Informationstechnologie und Inhaber des Lehrstuhls für Sicherheit in der Informationstechnologie an der Technischen Universität Darmstadt, am Dienstagabend zu Gast.
?Die Digitalisierung ist die größte Herausforderung seit der Industrialisierung?, sagte Leutheusser-Schnarrenberger, die sich unter anderem als Mitglied des ?Google Advisory Councils? mit dem ?Recht auf Vergessen werden? befasst. Neuentwicklungen im Bereich ?Big Data? und dem ?Internet of Things? wie Autos als ?rollende Smartphones? oder Armbänder zur Übertragung von Gesundheitsdaten eröffneten Chancen, seien aber auch Risiken.
Europäische Standards beim Datenschutz
Gebot der Stunde seien europäische Datenschutzstandards, die Schaffung eines ?digitalen Ordnungsrahmens? auf europäischer Ebene, sagte die Juristin. Technischer Datenschutz allein reiche nicht aus, angesichts der ?Datensammelwut? müssten Staaten ihre ?Gestaltungsmacht? nutzen. Europäisches Recht sei ?eine Kampfansage? an amerikanische Konzerne, da es den Unternehmen Verpflichtungen auferlege, deren Nichteinhaltung sanktioniert werde. Privatsphäre gelte es auch in Zeiten zunehmender Digitalisierung zu schützen. ?Sie ist kein Relikt von gestern?, betonte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
Dass das Ausspähen von Unternehmen, Privatpersonen und staatlichen Stellen eine neue Dimension erreicht hat, schilderte Michael Waidner. Der Professor für IT-Sicherheit zitierte eine Studie, nach der rund ein Drittel der Internet-Nutzer bereits einmal von einer ?Cyber-Attacke? betroffen waren. Fast die Hälfte der Angriffe sei mittlerweile ?opportunistisch?. Attacken erfolgten automatisch auf schlecht gesicherte Systeme. Es gelte: ?Was angreifbar ist, wird angegriffen?, erklärte Waidner. Damit käme grundsätzlich jeder als Zielscheibe infrage und könne sich nicht damit beruhigen: ?Meine Daten sind uninteressant, bei mir gibt es nichts auszuspähen.?
Das Bundeskriminalamt gehe davon aus, dass durch mangelhafte Cyber-Sicherheit in Deutschland pro Jahr Schäden in Höhe von 40 Milliarden Euro verursacht würden, sagte der Institutsleiter und Professor. Diese Schadensumme entspreche der Summe der Schäden im Straßenverkehr. Als problematisch bezeichnete es Waidner, dass nur zwei Anbieter, Google und Apple, den Markt des Datensammelns dominierten. Diese beiden hätten einen ?horrenden Einfluss, auf das, was in der Welt passiert.?
Mit den raschen Entwicklungszyklen von IT-Produkten hielten die langen Innovationszyklen in der IT-Sicherheit nicht Schritt, bedauerte er. Nutzer müssten sich bewusst machen, dass jedes Betriebssystem und jedes Softwarepaket Sicherheitsschwachstellen enthalte. Damit Käufer erkennen können, wie sicher angebotene IT-Produkte sind, empfahl er eine Verbesserung des Verbraucherschutzes mit Zertifizierungen und Sicherheitsstandards.
Nur 20 Prozent verschlüsseln Mails
Dass neue Schutzmechanismen von Nutzern oft nicht angewendet würden, trage ebenfalls zur IT-Unsicherheit bei, bedauerte Waidner. Er schilderte die Ergebnisse einer Untersuchung, nach der zwar rund 90 Prozent der Unternehmen eine Firewall verwendeten, aber nur rund 20 Prozent mit Mailverschlüsselung arbeiteten. Um mehr IT-Sicherheit durchzusetzen, sprach sich Waidner dafür aus, ?Sicherheit gesetzlich vorzuschreiben.? Die ?Ende-zu-Ende-Verschlüsselung? vom Sender zum Empfänger stehe als ein Ziel in der digitalen Agenda der Bundesregierung, sagte Leutheusser-Schnarrenberger.
An der Publikumsdiskussion mit den Referenten und Journalistin Anke Hlauschka (Baden-Baden) nahmen zahlreiche Ehrengäste aus der Politik teil. ?Unrealistisch? sei es, die Entwicklung einer europäischen Suchmaschine als Gegenspieler zu Google zu betreiben, waren sich Leutheusser-Schnarrenberger und Waidner einig. Ein zentrales Register zu schaffen, in dem sich alle Nutzerdaten zurückverfolgen ließen, hielt der Professor für problematisch: ?Das führt zum totalen Überwachungsstaat.?
Siehe auch Bericht im Darmstädter Echo
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